Fridolin ist als heiliger Abt in Mönchskutte mit dem Skelett des Grafen Urso dargestellt. Mit der linken Hand hält Fridolin den reich verzierten Hirtenstab mit Pannisellus (Tuch am Stab. Der Pannisellus unterscheidet den Abtsstab vom Bischofsstab). Mit der rechten Hand führt Fridolin Urso mit einer gesiegelten Urkunde zum Gericht. Ihre Blicke richten sich nach rechts, offenbar zum Gericht. Im landschaftlichen Hintergrund erkennt man das Kloster Säckingen und den Rhein mit der Rheinbrücke. In der Sockelzone bezaubert Orpheus mit seinem Spiel auf einer Viola da gamba die wilden Tiere. Zwei mächtige Säulen rahmen die Darstellungen. Das Glasgemälde ist Teil der dreiteiligen Standesscheibe von Glarus.
Fridolin, wahrscheinlich aus der Gegend von Poitiers stammend, zog im 7. Jahrhundert als missionierender Wanderprediger durch südalemannisches Gebiet. Er war Gründer des Klosters Säckingen. Am Ende des Lebens soll er auf der Rheininsel bei Säckingen gelebt haben. Die Legende berichtet, dass Urso, ein Landmann der Talschaft Glarus, mit Zustimmung seines Bruders Landolf, seine Güter im 7. Jahrhundert dem hl. Fridolin schenkte und bald darauf starb. Ursos Bruder Landolf focht die Schenkung an und wollte Fridolin das Land wieder wegnehmen. Da erweckte Fridolin den verstorbenen Urso von den Toten und lud ihn als Zeugen vor Gericht nach Rankweil. Landolf sei, als er seinen bereits in Verwesung übergegangenen Bruder vor Gericht erscheinen sah, so erschrocken gewesen, dass er Fridolin auch seinen Teil des Glarnerlandes geschenkt habe. Fridolin wurde zum Patron von Glarus. Er erscheint im Wappen des Kantons Glarus mit Wanderstab und Bibel. Das Land Glarus gehörte zu den sieben Schirmorten des Freiamts, wo das Kloster Muri liegt.
Lage
Ehemaliges Kloster Muri, Kreuzgang Ost, Fenster VIa
Datierung
1557
Künstler
Carl von Egeri (um 1510/15-1562)
Auftraggeber
Kloster Muri
Stifter: Land Glarus
Restaurierungen
Die nach der Klosteraufhebung 1841 in Aarau verwahrten Glasfenster wurden während der Restaurierung der Kreuzgangflügel 1953-57 wieder eingesetzt. Die Glasmalereien wurden zwischen 2006 und Ende 2013 restauriert.
Beschaffenheit
Glasmalerei. Überfangglas. Bemalung mit Schwarzlot und Silbergelb
Masse
67,5 x 46.5 cm
Inschriften
Im Nimbus von Fridolin: S. FRIDOLINVS. Auf der Urkunde von Urso: v gn...zinsen/die vff...wittiko
Bemerkungen
Der Kreuzgang ist für Besucher zugänglich.
Literatur
Bernhard Anderes, Glasmalerei im Kreuzgang Muri – Kabinettscheiben der Renaissance, Bern 1974, S. 24ff.
Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hg.), Kunstführer durch die Schweiz, Bern 1975, Bd. I, S. 66-69.
Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. V, Der Bezirk Muri, von Georg Germann, Basel 1967, S. 360ff.
Rolf Hasler, Glasmalerei im Kanton Aargau, Bd. 3, Kreuzgang von Muri, Aarau 2002, S. 35ff.
Erna und Hans Melchers, Das grosse Buch der Heiligen, Geschichte und Legende im Jahreslauf, Zürich 1978, S. 145-147.
Reiner Sörries, Tanz der Toten – Totentanz, Dettelbach 1998, S.86.
Hans Georg Wehrens, Der Totentanz im alemannischen Sprachraum, Regensburg 2012, S. 46-47.